Erzeugung von Freude
Wenn Freude immer einen Bezug auf etwas Materielles oder ein bevorstehendes Ereignis (Vorfreude) hat, dann hat jeder Mensch die Möglichkeit, einem anderen Menschen Freude zu bereiten. Streng abgegrenzt von der deutschen Redewendung “eine Freude machen”, die häufig als Synonym für “ein Geschenk machen” benutzt wird, können wir etwas sagen oder tun, was das Gegenüber freut. Jeder Mensch hat folglich die Macht – und mit Macht geht immer Verantwortung einher! – einen Mitmenschen mit einer Aussage in die höchsten Sphären der Freude zu katapultieren und mit einer gegenteiligen Aussage sicherlich auch das Gegenteil zu tun.
Lüge zur Erzeugung von Freude
Man kann Freude folglich auch mithilfe einer bewusst eingesetzten Lüge erzeugen. Lüge über eine Begebenheit, die sich vielleicht gar nicht so zugetragen hat oder zutragen wird, oder eine ärztliche Diagnose, die im Gegensatz zur harmlosen Darstellung in Wahrheit sehr viel gefährlicher ist.
Ist eine solche “Notlüge” – auf welches Beispiel auch immer bezogen – jedoch moralisch vertretbar?
Berücksichtigen wir an dieser Stelle noch einmal den Bezug der Freude aus Teil 1: In letzter Konsequenz bezieht sich Freude immer auf etwas, das in der Realität passiert (ob in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft). Wenn wir über einen Sachverhalt lügen, um damit Freude zu erzeugen, wird diese Freude zeitlich also begrenzt bleiben: Sobald der/die Adressat/in die Wahrheit erfährt, ist er/sie womöglich niedergeschlagener als vor der Lüge zur Erzeugung von Freude.
Bleibt der Sonderfall, indem der belogene Mensch niemals von dem wahren Sachverhalt erfahren wird: Gesetzt den Fall, dass dies zu 100 Prozent sicher ist, kann man argumentieren, dass eine Lüge – beispielsweise – gegenüber einem todkranken Menschen zur Erleichterung seiner letzten Sorgen moralisch vertretbar ist. Auf Basis der Tatsache, dass man sich der Sicherheit der Lüge seltenst zu 100 Prozent sicher sein kann, ist eine Lüge aber allgemein auch hier moralisch abzulehnen.
Und so bleibt uns am Ende das schon von Kant betitelte “vermeintliche Recht, aus Menschenliebe zu lügen” wohl verwehrt, gerade weil es in der Betrachtung dieses Problemkomplexes wohl nur sehr selten der Menschenliebe wirklich entspräche und dem Wohle des Menschen dienlich wäre.