Der folgende Text soll sich auf historischer und psychologischer Basis mit der Frage beschäftigen, warum Menschen Drogen konsumieren. Die Betrachtung des Gegenstands soll ausschließlich auf der Basis der Nutzung zu Rauschzwecken, nicht aber aus medizinischen Gründen und ebenfalls nur in Bezug auf natürlich vorkommende Drogen, nicht aber rein chemisch synthetisierte, stattfinden. Das Ziel der Bearbeitung des Themas ist, sich den gesellschaftlichem Konsens über Drogen aller Art vor Augen zu führen und diesen für sich selbst zu reflektieren. Die Beantwortung dieser Fragestellung kann zu einem veränderten und für sich selbst reflektiertem Konsumverhalten führen, sodass bis dato existierende Gewohnheiten des Konsums in einem anderen Licht betrachtet und individuelle Lebenseinstellungen oder Blockaden, denen die Gewohnheit zu Grunde liegt, überdacht werden können. Denn wie immer gilt der Spruch: „Man ist, was man trinkt.“
Um sich der doch sehr allgemein formulierten Fragestellung zunächst einmal zu nähern, ist es sinnvoll, den Begriff „Droge“ zuerst zu definieren.
Der gesellschaftlich verbreitete Begriff der „Droge“ schließt allgemein wissenschaftlich alle psychoaktiven Substanzen ein. Diese gelten als solche, sobald sie Vorgänge im Gehirn dahingehend verändern, dass sie eine veränderte Wahrnehmung von außerhalb oder innerhalb des Körpers stattfindenden Vorgängen bewirken. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Rauschzustand“.
Was fällt also unter den Begriff „Droge“? Neben den bekannten illegalen psychoaktiven Substanzen wie zum Beispiel Kokain, Cannabis, LSD oder Ähnliches müssen auch die sogenannten Volksdrogen Koffein, Alkohol und Nikotin berücksichtigt werden. Nur weil diese Stoffe eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft genießen, heißt das nicht, dass sie – genauso wie „härtere“ Drogen auch – keine Veränderungen in der Realitätswahrnehmung verursachen würden.
Der Konsum jeglicher Drogen ist fest in der Geschichte der Menschheit verankert und wird bereits seit ca. 5000 v. Chr. praktiziert. Weinanbau und die Nutzung von Fliegenpilzen ist aus diesen Zeiten wissenschaftlich belegt ( https://www.erowid.org/chemicals/alcohol/alcohol_timeline.php, 2. Oktober 2016), 2000 bis 3000 Jahre später wurden von einzelnen Völkern auch Cannabis oder Schlafmohn konsumiert (https://www.erowid.org/plants/cannabis/cannabis_culture2.shtml, 2. Oktober 2016). Man könnte nun behaupten, Drogenkonsum liege nunmal in der Natur des Menschen. Verhaltensweisen des Menschen, die sich über Jahrtausende durchsetzen, haben allerdings zwangsläufig eine evolutionäre Bedeutung – und sei es die Befriedigung eines primitiven Dranges nach Rauschzuständen. Doch ist das so einfach?
Um Rauschzustände zu erreichen, spritzt sich der Junkie sein Heroin, raucht der Hippie sein Gras und trinkt der Deutsche sein Bier, um an dieser Stelle mal Stereotypen zu bedienen.
Denn wer wirklich ehrlich ist, kann nicht behaupten, dass das REINE KONSUMIEREN welcher Droge auch immer wirklich Freude bereiten würde: Alkohol schmeckt zu Beginn genauso widerlich wie der Rauch einer Zigarette, bis „man sich dran gewöhnt hat“, und ich kenne wenige Menschen, die – wenn Kaffee keinen Koffein enthielte – ähnlich viel Kaffee trinken würden, wie sie es tun, wenn das Getränk seine aufputschende Wirkung mit sich bringt. Es geht also weniger um das zu sich Nehmen, viel mehr geht es um die resultierende WIRKUNG.
Um auf unsere Ausgangsfrage zurückzukommen, heißt die Antwort also: Wir nehmen Drogen, um ihre Wirkung zu erfahren.
Warum wollen wir diese Wirkung erreichen?
Schauen wir uns für die Beantwortung dieser Frage noch einmal genau die Wirkungsweise von Drogen an: Sie verändern unsere Wahrnehmung.
Das Ziel ist also, seine eigene Wahrnehmung zu verändern, und wir stellen fest, dass Drogenkonsum jeglicher Form nichts anderes ist als Realitätsflucht. Das kann in Form von Koffein sein, um der Realität des Schlafmangels zu entfliehen oder in Form des Alkohols, um es sich zu trauen, den/die WunschpartnerIn anzusprechen oder in Form des Cannabis, um vom Stress des Alltags ein bisschen herunterzukommen.
Wir kommen also um die Frage nicht herum, warum es dem Menschen seit Jahrtausenden von Jahren wichtig erscheint, ab und zu aus der Realität zu flüchten.
Um diese Frage hinreichend beantworten zu können, muss man zwischen den einzelnen Drogen und ihren Wirkungsmechanismen unterscheiden, da Realitätsflucht nunmal nicht immer gleich Realitätsflucht ist. Wenn Alkohol die Wirkung von Koffein hätte, würde man Alkohol wohl jeden Tag zum Frühstück trinken und Kaffee des Abends zum Anstoßen, um ein bisschen geselliger zu werden.
Was heißt das jetzt für das Individuum?
Die unten aufgeführten Wirkungsmechanismen der einzelnen Drogen stellen in der Überlegung, dass Drogen um ihrer Wirkung willen konsumiert werden, einen konkreten Bedarf dar. Nun kann sich jeder individuell die Frage stellen: Inwiefern BRAUCHE ich die Wirkung der (Volks-)Droge/n denn, die ich konsumiere? Was genau verursacht diesen BEDARF?
Und was kann ich eventuell tun, um diesen Bedarf auch ohne den Konsum von Drogen zu befriedigen?
Denn die Evolution hat trotz eines konstanten Drogenkonsums über die Jahrtausende auch gezeigt, dass übermäßiges Einnehmen von psychoaktiven Substanzen schädlich ist. Ob das in körperlicher Form (wie zum Beispiel bei Alkohol (absterbende Gehirnzellen) oder bei Zigaretten (Lungenschäden, Krebs) oder in geistiger Form (wie zum Beispiel bei Cannabis (Ansätze von Schizophrenie in jugendlichem Alter bei übermäßigem Konsum (http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-12/marihuana-jugendliche-sucht, 5.10.16)) stattfindet, ist egal. Eine auf Dauer zu hohe Dosis führt zu Langzeitschäden in Körper und/oder Geist. Und die beabsichtigte Wirkung, die Realität ein wenig angenehmer zu gestalten, rächt sich im Endeffekt in Form der negativen Folgen jeglichen Drogenkonsums.
Alkohol: Neben den wohl bekannten physiologischen Wirkungsweisen des Alkohols wie beeinträchtigtes Sehvermögen, Gleichgewichtsstörungen, verlangsamte Reaktion oder Sprachstörungen (http://www.novafeel.de/ernaehrung/alkohol.htm, 4.10.16) hat Alkohol ebenfalls einige neurobiologisch begründete psychologische Ursachen, die für die erwünschte Realitätsflucht sehr viel entscheidender sind. Im Gehirn dockt Alkohol (korrekt: Ethanol) an sogenannte Rezeptoren an. Diese Rezeptoren sind für das Empfangen von Botenstoffen (sogenannten Neurotransmittern) verantwortlich. Hat sich ein Ethanolmolekül an einen solchen Rezpetor gebunden, kann dieser keine Neurotransmitter mehr registrieren und die zu vermittelnde Information wird nicht weitergegeben. Andersherum kann ein angedocktes Ethanolmolekül auch für eine leichtere Informationsübertragung sorgen. Genau das sorgt für das Gefühl des „Berauschtseins“: Neurotransmitter wie zum Beispiel Dopamin oder Serotonin, die für Glücksgefühle und Ähnliches verantwortlich sind, werden dann leichter registriert und das entsprechende Gefühl stellt sich ein (https://youtu.be/VXDsM-1McE0, 4.10.16).
Die psychologische Wirkungsweise von Alkohol ist also eine durch äußeren Einfluss (das Getränk) bewirkte Steigerung der Glücksgefühle, daraus entstehender Optimismus und eine dadurch erhöhte Risikobereitschaft (unter anderem). Wäre es dem/der Konsumenten/in also eventuell angeraten, ihr natürliches Verhalten mehr nach ihren emotionalen Wünschen zu gestalten, anstatt nur mit Hilfe der Gewalt der Alkohols in seinen/ihren Handlungen zwanghaft seinen/ihren Emotionen nachzukommen?
Koffein: Die bekannte Wirkung des Koffeins – das Wachmachen – stellt den/die Konsumenten/in vor die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, seinen/ihren Schlafrhythmus nicht ein wenig anzupassen, anstatt den Mangel an Erholung durch den Konsum einer psychoaktiven Droge auszugleichen. Denn das dauerhafte oder übermäßige Trinken von Kaffee, Tee, Cola oder Ähnlichem hat auch aufgrund der Wirkungsweise des Koffeins auch seine Schattenseiten: Die Schnelligkeit von Vorgängen im Gehirn werden normalerweise von einem Nebenprodukt (dem sogenannten Adenosin) reguliert, damit die Nervenzellen auf Dauer nicht überlastet werden. Koffein fungiert als Gegenspieler zum Adenosin, indem es die für Adenosin verantwortlichen Rezeptoren hemmt und somit dafür sorgt, dass die Information, das Hirn würde für zu lange Zeit zu schnell arbeiten und bräuchte eine Ruhepause, im Sand versiegt. Dauerhafter Koffeinkonsum führt dann zu einer natürlich erhöhten Adenosinkonzentration, die die natürliche Aufmerksamkeitsspanne ohne den Zusatz von Koffein stark verringert (http://www.gesundheit.de/ernaehrung/richtig-trinken/tee-und-kaffee/koffein, 4.10.16).
Nikotin: Die neurobiologische Wirkung von Nikotin besteht aus zwei Hauptaspekten:
Erstens werden – wie beim Alkohol auch – Glückshormone wie Dopamin oder Serotonin in vermehrter Anzahl freigesetzt, was zu einem Euphoriezustand führt. Je gewöhnter man an Nikotin ist, desto mehr Nikotin braucht es, um diesen Zustand herbeizuführen.
Zweitens wird durch den Konsum das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert (https://www.dkfz.de/de/rauchertelefon/Nikotin_Wirkung.html, 4.10.16), was ebenso bei der Befriedigung elementarer Bedürfnisse (Hunger, Durst, sexuelles Verlangen) wie bei dem Erreichen eines Zieles geschieht (https://www.dasgehirn.info/denken/motivation/schaltkreise-der-motivation-986, 4.10.16).
In der Kürze stellt sich die Frage, was der/die KonsumentIn denn zu simulieren/ersetzen versucht, was ihm/ihr in seinem/ihrem Leben fehlt. Die Zigarette als Ersatz für das Erreichen der persönlichen Ziele zu missbrauchen, führt auf Dauer nur zu Abhängigkeit, persönlicher Stagnation und einem leeren Geldbeutel.
Cannabis: Der Wirkstoff der weiblichen Cannabispflanze Tetrahydrocannabinol (THC) setzt zum einen wie Nikotin auch Dopamin frei und aktiviert somit das Belohnungssystem. Zum anderen imitiert es den Neurotransmitter Anandamid, der für die Empfindung von Schmerz, Hunger und Gleichgewicht verantwortlich ist. Vor allem die Wirkungsweise als Ersatz für Anandamid führt dazu, dass Cannabis seine beruhigende Wirkung entfalten kann, da es Schmerzen dämpft und stattdessen parallel das Belohnungssystem aktiviert (http://youtu.be/jL8G4aL3wTo, 4.10.16).
Der Konsum von Gras liegt also offensichtlich einem Bedarf der Entspannung oder auch der Flucht aus dem Stress und dem Schmerz des Alltags zu Grunde.
Kokain: Die Wirkungsweise des Kokains (natürlich enthalten in Koka-Blättern) entfaltet sich im natürlichen Vorgang des Abfangens von Neurotransmittern, nachdem diese ein Signal übertragen haben. Hat zum Beispiel ein Dopaminmolekül seine Information durch das Binden an einen Rezeptor weitergegeben, wird er wieder zurück zu seinem Ausgangspunkt (der vorangehenden Nervenzelle) transportiert und dort wieder aufgenommen. Kokain unterbindet das und sorgt somit für eine hohe Konzentration von Glückshormonen (neben Dopamin und Serotonin (hauptsächlich) auch noch einige andere) an den Reizübertragungsstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen.
Dies führt dazu, dass Glücksgefühl registriert wird, obwohl es gar keinen „wirklichen“ Grund dafür gibt. Die sehr hohe Konzentration dieser euphoriefördernden Neurotransmitter sorgt für das starke Gefühl des Rauschs und für die extremen Gefühlslagen, in denen sich ein Konsument nach der Einnahme befindet (http://www.spektrum.de/magazin/die-neurobiologie-der-kokainabhaengigkeit/822827, 4.10.16).
Die Wirkung lässt sich also mit der von Alkohol vergleichen; allerdings in sehr extremer Form und ohne die körperlichen Auswirkungen.
Ist die Wirkung der Droge allerdings erstmal abgeklungen, herrscht aufgrund der auf einmal schwindenden Konzentration von Dopamin/Serotonin ein Mangel dieser, der zu kurzen depressiven Phasen führen kann.
Der hohe Bedarf nach Glück, Rausch, Ideenreichtum und Ähnlichem mag zu der Überlegung führen, welche Extreme dem/der Konsumenten/in in ihrem Leben ohne Drogen fehlen, beziehungsweise welche Mangelerscheinungen in anderen Lebensbereichen den Konsum nötig machen.
Pilze: Der Wirkstoff von Pilzen (oder auch „Magic Mushrooms“) Psilocybin imitiert den Neurotransmitter Serotonin und entfaltet dadurch seine Wirkung. So braucht es im Gehirn keine Ausschüttung von Serotonin mehr, um Glücksgefühle zu empfinden, das Psylocybin übernimmt diese Aufgabe und gaukelt dem Konsumenten so das Glücksgefühl vor.
Ein dem Konsum folgender Serotoninmangel wie bei Kokain liegt hier nicht vor.
Zudem setzt Psilocybin am Hirnstamm, dem sogenannten „Filter“ des Gehirns an (http://www.zeit.de/2009/37/M-ADHS-Erwachsene/seite-2, 5.10.16), der entscheidet, welche Informationen in’s Bewusstsein gelangen und welche nicht. Der Filter wird gewissermaßen außer Kraft gesetzt, was für die von Konsumenten geschilderten Reizüberflutungen oder übersinnliche Wahrnehmungen verantwortlich ist (http://www.drogenkult.net/?file=Psychedelika&view=2, 5.10.16).
Der/die KonsumentIn muss sich also die Frage gefallen lassen, woher ein gewisser Bedarf nach Reizüberflutung kommt und warum dieser nur durch die Gewalt einer Droge gestillt werden kann.
Abschließend muss jedoch in jedem Fall von starkem oder sehr regelmäßigen Konsum und gelegentlichem Greifen zu Drogen unterschieden werden. Die oben formulierten Fragen an Konsumenten/innen gelten für regelmäßige Trinker/Raucher etc.
Der Wunsch, eine Erfahrung zu machen, die man durch geistige Anstrengung allein nur schwer oder gar nicht erreichen kann, ist legitim und es ist ebenso gesund (und im Fall der hier aufgeführten Drogen natürlich), diesem Wunsch hin und wieder auch nachzukommen. Denn wie immer kommt es dabei auf die Dosis an; jede/r, der/die bereits mal einen Zuckerschock erleidet hat, weiß das.
Der Autor distanziert sich in jeder Form von der Gutheißung des Drogenkonsums jeglicher Art, garantiert für keine Richtigkeit der gemachten Angaben und haftet in keinem Fall für durch diesen Artikel inspirierten Drogenkonsum und eventuelle Folgen.